Saturday, June 9, 2012

Wenn ich zurück in Deutschland bin, muss ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, dass

          ·        ich nicht eine der ersten beim Treffen bin, wenn ich eine halbe Stunde zu spät komme

·         nicht gleich ein Hupkonzert startet, wenn der erste vor der Grünen Ampel eine Sekunde zögert

·         man nicht angsterfüllt die Straße überquert, weil, wenn man über die Straße geht, die Autos nun nicht mehr kräftig auf Hupe und Gas drücken, sondern stattdessen die Bremse wählen

·         wahrscheinlich ein Fehler bei dem Auto vorliegt, wenn aus dem Auspuff pechschwarze Wolken aufsteigen

·         man sich im Auto anschnallt und die Schilder der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht nur Zierde sind

·         das Wasser aus dem Hahn trinkbar ist, und aus dem Duschkopf angenehm warmes/heißes Wasser kommt

·         es überhaupt immer Wasser gibt, und man somit nicht immer einen gefüllten Eimer in der Dusche stehen haben muss (sich der Eimerdusche zu entwöhnen wird nicht schwer werden!)

·         Candlelight nicht ungeplant stattfinden

·         man das Klopapier statt in den Mülleimer in die Toilettenschüssel wirft

·         man sich das Arzt-Rezept nicht mehr selbst schreiben kann

·         man „mal eben“ zum Arzt geht, „mal eben“ ein MRT und CT macht

·         die Milch aus der Tüte kommt und nicht erst mit Wasser vedünnt werden muss

·         man Autoalarmanlagen ernst nehmen sollte

·         ich mehr als zwei Outfits in der Woche einplane

·         die Türsteher, der Barkeeper und der DJ meiner Stammdisko nicht mehr meine besten Freunde sind, und ich somit nicht mehr einfach mal alleine in die Disko gehen kann, wenn kein anderer Lust hat

·         Reis nicht immer eine Beilage sein muss

·         es bei Früchten nicht mehr Pflicht ist, sie zu schälen

·         nur so viele Personen in ein Auto passen, wie es Sitzplätze hat (Rekord: 16 Personen in einem 5-Sitzer)

·         ich alle verstehe (kein Quechua mehr) und mich alle verstehen (das „Analysieren“ von Menschen sollte auf ein Flüstern reduziert werden)

·         ich nicht davon ausgehen kann, dass man mich auch versteht, wenn ich ein Deutsch-Spanisch-Gemisch rede

·         die Leute in Deutschland nicht so handlungs- und diskussionsfreudig sind (bei jedem Einkauf und bei jeder Taxifahrt wird immer mindestens um 50 Centimus (17,5 Cent) runtergehandelt)

·         man beim Taxi schon eine Anfahrtsgebühr von 4 Euro zahlt, während ich sonst für einen Euro im Taxi nach Hause gefahren bin

·         Polizisten nicht auch an Ampeln stehen, die funktionieren, damit die Autofahrer sofort bei Grün losfahren

·         man zu Fuß nicht mehr alle Leute überholt, sondern im Gleichschritt mit den anderen ist

·         man nicht egal wo man ist mindestens einen Hund in seinem Blickfeld hat, und wenn, dann ist er angeleihnt

·         Frauen ihre Kinder in Kinderwagen transportieren und nicht mit einem Tuch auf ihren Rücken binden

·         man die Mütter nicht in jeder Lebenslage ihre Kinder stillen sieht

·         es keine äußerste Seltenheit mehr ist, eine Frau autofahren zu sehen

·         sich nicht um jeder Ecke ein kleiner Kiosk befindet, der einen mit Leckereien versorgt

·         man nicht andauernd irgendwelche Paraden oder Jungfrauenfeste zu sehen bekommt

·         die Sonnencreme nicht mehr die Tagescreme sein muss

·         zur Begrüßung lediglich die Hand geschüttelt oder sich umarmt wird, nicht jedoch ein Küsschen auf die Wange dazu gehört

·         man nicht jederzeit in einen Bus, Combi oder ein Taxi steigen kann, um an sein gewünschtes Ziel zu gelangen

·         der Fahrplan öffentlicher Verkehrsmittel Gesetz ist: ich muss mich daran halten, oder ich kann nicht mitfahren und das Verkehrsmittel muss sich daran halten oder man hört sich das Gemecker von Leuten an

·         ich nicht erst ein Streichholz finden muss, bevor ich den Herd oder Ofen anmachen kann

·         Stiche/Bisse auf der Haut nicht gleich ein Indikator für eine weitere Floplage sein müssen

·         ich keine Winterjacke mitnehmen muss, wenn ich das Haus im T-shirt verlasse

·         Polizisten Authoritätspersonen sind, und einem nicht mehr gelegentlich hinterpfeifen

·         fremde Personen nicht mehr mit „amigo/a, hermano/a, mamá/papá, mamita, usw“ (dt: Freund/in, Bruder/Schwester, Mama, Papa, Mamachen) angesprochen werden

·         alles penibel blitz blank und geordnet ist

·         die Leute alle weiß sind

·         der Spiegel auf einer Höhe angebracht ist, die mich nicht nur meine Brust sondern mein Gesicht sehen lässt

·         man nicht mehr ohne sich darüber Gedanken zu machen overdressed, underdressed oder ähnliches aus dem Haus geht, frei nach dem Motto „Wir fallen eh auf, ist doch egal obs negativ ist“

·         die Frage „wie geht’s?“ keine Höflichkeitsfloskel ist, die schlicht mit „gut“ beantwortet wird, sondern man eine ehrliche Antwort kriegt

·         „Durchfall“ kein Alltagsthema ist, das am Essenstisch durchgesprochen wird

·         Ideen, Abmachungen und Pläne nicht nur wegen des Unterhaltungsstoffs dahergesagt werden

·        es als merkwürdig gilt, Pflanzenblüten oder Stängel (besondere Delikatesse hier: Maisstängel) zu essen

Saturday, June 2, 2012

Friday, June 1, 2012

Eine Woche des Abschieds

Letzte Woche Freitag war es soweit: „unsere“ Abschiedsparty stand an. Hierbei setze ich das „unsere“ in Anführungsstriche, da es zwar der letzte Tag für Laura, Franz, Julian und Johanna war, Anne und ich aber ab dem Zeitpunkt noch weitere vier Wochen in dem Projekt vor uns hatten. Wir werden jedoch für uns alleine keine zweite Abschiedsfeier veranstalten.
Für jenes Fest hatten wir schon lange im Voraus geplant. Die Geschenke für die Kinder, für Pavela, die Schwester, Juana und deren Kinder standen schon zwei Wochen vorher bereit, da man hier ja nie so genau weiß, ob die vereinbarten Zeiten bei den Peruanern eingehalten werden, oder doch irgendetwas dazwischen kommt. Wir hatten uns nämlich überlegt bedruckte T-shirts zu verschenken. Auf dem gelben Grund der T-shirts konnte man letztendlich in roter Schrift Folgendes lesen: „Gracias por un a
ño maravilloso. Nunca los olvidaremos. Voluntarios 2011-2012 (in jeweiliger Unterschrift:) Laura, Johanna, Franz, Julian, Verena“ (dt.: Danke für ein wundervolles Jahr. Wir werden euch nie vergessen! Freiwillige 2011-2012).
Außerdem haben wir an jeden ein Foto von uns sechs verschenkt, und drei Collagen mit Bildern des ganzen Jahres zusammengestellt, sowie ein köstliches deutsches Abendessen zubereitet. Bratkartoffeln, Frikadellen und Salat standen auf dem Speiseplan. An dem Donnerstag vorher haben Laura, Johanna, Anne und ich uns die Hände an den unzähligen Kartoffeln wund geschält, während Julian und Franz mit den Schwester und einigen Kindern (jeden Dienstag und Donnerstag werden die Kinder nun in Etapen zum Zahnarzt nach Cusco gefahren) nach Cusco gefahren sind, um sowohl die T-shirts aus unserem Cusco-Zuhause abzuholen, als auch das Hackfleisch und die Süßigkeiten für die Feier am Nachmittag einzukaufen.
Freitagvormittag begann dann die Massenproduktion an Essen und das Schmücken der Albergue. Wir hatten bis zum Schluss alle Hände voll zu tun, das Essen für ca. 100 Personen herzurichten. So sind die Schwestern schon angefangen den Tag ihrer Ordensgründerin, der auf eben diesen Freitag fiel, zu feiern, während wir noch in der Küche beschäftigt waren. Am späten Nachmittag legten wir nun mit unseren geplanten Spielen wie Kartoffel- und Dreibeinlauf, Tauziehen usw los. Zudem haben einige Jugendliche einen modernen Tanz vorgeführt und ein Mädchen hat ein für uns selbstgeschriebenes Lied gesungen. Die Feier war vollkommen gelungen. Das Essen wurde nach den ersten skeptischen Blicken nur so verschlungen, und nach der Geschenkeübergabe, viel Geweine bei den Reden von uns an die Kinder und von einigen Kindern an uns, wurde noch einmal Musik aufgelegt und die Tränen weggetanzt.

An dem folgenden Wochenende lud Pavela uns am Samstag zu einem Abschieds-abendessen ein, später abends waren Julian und ich bei Freunden nach Hause eingeladen, anschließend gingen wir ein letztes Mal gemeinsam in unsere Stammdiskothek, und für den Sonntag hatten die Gastfamilie von Franz und Julian zusammen mit der Gastfamilie von Laura, Johanna und mir ein gemütliches Grillen im Garten vorbereitet.
Als ich mich dann am Montagfrüh wieder auf den Weg nach Quiquijana gemacht habe, blieben Julian, Franz, Laura und Johanna in Cusco, unzwar bis Donnerstagvormittag, bis sie ihre Rückreise nach Deutschland starteten.

In dem Moment, in dem ich diesen Blogeintrag verfasse, ist es gerade kurz nach 15 Uhr an jenem Donnerstag. Alle Leute der Albergue und der Chacra verfolgen in Gedanken ihren Heimweg, traurig, dass sie endgültig weg sind, und wünschend, dass sie heile ihr Ziel erreichen.
Es ist viel ruhiger ohne sie in der Albergue und ich bin dankbar für die schöne Zeit, die wir zusammen verbracht haben.
Ich kann mir jedoch immer noch nicht vorstellen, dass ich ihnen bald nach Deutschland folgen werde, da ich zur Zeit zu glücklich bin, dass ich noch weitere Wochen bei den Kindern sein darf. Mein eigener Abschied von ihnen und allgemein von dem peruanischen Leben wird mir voraussichtlich alles andere als leicht fallen.

Aller liebste Grüße,
Verena