Friday, April 27, 2012

Geburtstag und Huathualaguna


Am 15. April 2012 feierte unsere Gastoma, Abuela Carmen (Oma Carmen), ihren 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass wurden wir unter den ca. 150 anderen Freunden und Verwandten in ein Club Hotel eingeladen. Alle waren festlich gekleidet, passend zu dem Ambiente dort. Neben dem Glas für unalkoholische Getränke, standen schon Champus- und Whiskygläser auf dem Tisch bereit. Die Menükarte versprach nicht zu viel, wie sich herausstellte, als uns nach einigen emotionalen Reden der Kinder und Enkel von Abuela Carmen das Mittagsessen serviert wurde. Nach diesem Festessen wurde gaaanz viel getanzt. Am Wochenende darauf sagte man zu uns „Ihr ward auch die ganze Zeit auf der Tanzfläche, oder?“. Bei dem ganzen Getanze musste man aber auch einfach mittendrin sein. Es wurden jegliche latinische Musikrichtungen gespielt: Cumbia, Salsa, Wayno und so viele von denen ich die Namen leider nicht weiß. Besonders die traditionellen peruanischen Tänze wie Wayno haben ganz viel Spaß gemacht. Nachdem professionelle Tanzgruppen inclusive der Enkel diese live vorgeführt haben, sind alle mit eingestiegen. Ich finde es schade, dass wir soetwas nicht bei uns in Deutschland haben. Denn zu dieser Musik tanzen hier die Leute angefangen bei den Grundschülern bis hin zu den Großmüttern (auch Abuela Carmen war kaum außerhalb der Tanzfläche anzutreffen). Außerdem haben jegliche Peruaner/innen (ich denke man kann es aber auch auf ganz Lateinamerika verallgemeinern) ein super Rhythmusgefühl, so dass auch die Paartänze sehr viel Spaß machen. Unser Gastvater hatte Gefallen daran uns von einer Drehung in die nächste zu führen, und da wir auf dieser Feier als „Gringas“ die Attraktion schlecht hin waren, waren wir sowieso nie lange alleine.
Wir haben die Feier so sehr genossen, dass wir, obwohl sie schon um 13 Uhr angefangen ist, leider den letzten Bus verpasst haben, den wir normalerweise nehmen, um nach Quiquijana zu kommen. Zum Glück sind wir in Lateinamerika, und da kommt man immer noch irgendwie an sein Ziel.
Somit lässt der Taxifahrer uns an einer Kreuzung in einem ärmeren Viertel, außerhalb von dem was uns bekannt ist, aussteigen, weil irgendein Mann an der Busstation, von der wir eigentlich fahren, meinte, dort fahren die Nachtbusse nach Puno lang. Außer dass eine Frau, die dort mit ihrem Wägelchen mit Tee stand, die Aussage unterstütze, gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass uns dort ein Bus einsammeln würde (Fahrpläne gibt es hier nichtmal an den Busstation. Man sieht ja, wenn der Bus kommt), zudem war es stockdunkel. Jeder deutsche Neuling in Peru würde wahrscheinlich vor Nervosität durchdrehen. Aber wir setzten uns auf den Bordstein und warteten.
Und siehe da, mit Vertrauen und Geduld, und dann noch mit Freundlichkeit zu dem Busangestellten, dass er doch bitte einen Zwischenstopp in Quiquijana einlegen würde, sind wir tatsächlich noch in unser vertrautes Andendorf gelangt.

Letzte Woche war ein weiteres Highlight, dass wir in die Andendorfgemeinde „Huathualaguna“ gefahren sind. Diese Gemeinde liegt auf 4500 Metern Höhe und einige „unserer“ Kinder sind dort aufgewachsen und wohnen noch immer da. An den Wochenenden müssen sie also immer dort hinauflaufen. Den Weg legen sie zu Fuß zurück, da außer Donnerstag, wenn Markt ist, keine Transportmittel fahren. Somit sind die Kinder jeden Sonntag und Freitag so um die 3 bis 4 Stunden unterwegs bis sie in Quiqujana bzw. Huathualaguna ankommen.
Wir, fünf Freiwillige, Pavela und die Oberoberschwester (hatte ich erwähnt, dass die Chefin des Ordens vier Wochen bei uns zu Besuch war? Sie ist Mittwoch wieder gefahren.) wurden an jenem Tag mit dem Pick up von Hermana Nelly von einem erfahrenen Fahrer hinaufgefahren. Vor uns fuhr der besagte Transporter des Donnerstags. Dabei handelt es sich um einen kleinen Lkw, auf dem die Leuten auf der Ladenfläche mitfahren, zwischen all ihren Marktwaren. Da der Weg von dem Regen am Tag zuvor an manchen Stellen total verschlammt war, ist der Laster einige Male stecken geblieben. Kurz vor dem Ziel mussten letztendlich alle Leute aussteigen und den letzten Rest zu Fuß gehen. Der Laster wurde mit Schaufeln ausgegraben und mit Steinen gesichert, damit er weiterfahren konnte. Die Einwohner sind daran gewöhnt, denn während der Regenzeit ist der Weg viel schlimmer und manchmal sogar gesperrt, so dass die Kinder erst später am Wochenende oder gar nicht zu ihrem Dorf gehen können.
Nachdem ich Huathualaguna gesehen habe, kann ich verstehen, warum für die Kinder Quiquijana schon eine große Stadt ist. Man würde unsers Erachtens nach sagen, in Huathualaguna gäbe es nichts. Es ist eine riesige Grünfläche, wo hier und dort einfache Lehmhäuser stehen, und hinter einem Berg liegt eine große Lagune, die der volle Stolz der Bewohner ist.
Ich habe im Computerunterricht ein Mädchen über ihr Leben in Huathualaguna schreiben lassen, und ihr erster Satz war: „In Huathualaguna gibt es viele Sachen, wichtige Sachen wie Alpacas, Lamas, Schafe, usw.“. Je nach dem wie man aufwächst, sieht man nunmal die Welt. Die Kinder, die aus dieser oder ähnlichen Gegenden neu zu uns in die Albergue kommen, sind noch total „rau“ und müssen sich ersteinmal an das „Stadtleben“ gewöhnen. Es ist kein Wunder, dass sie nicht verstehen, dass man nicht in den kleinen Grünflächen/Gärten der Albergue spielen soll, denn da, wo sie aufwachsen, gibt es so viel Grün, dass es keine Regelungen gibt, wo man spielen darf und wo nicht. Auch kann man sich viel besser auf den Gras raufen als auf dem Beton. „Kämpfen“ gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Jungs, denn sonst gibt es auf dem Land ja auch nicht viel zu spielen. Jedes Spielzeug, was die Kinder in der Albergue in die Hand bekommen, ist sowieso nach einem Tag kaputt, weil sie erstens nie beigebracht bekommen haben, wie man damit bespielt, und zweitens haben sie so viel Kraft durch die harte Arbeit, die sie schon von klein auf verrichten, dass sie ohne es zu merken das Spielzeug zerstören. Plastik verhält sich nunmal nicht wie Steine.
Im Moment habe ich viel Kontakt zu Aydee Roxana, einem Mädchen der ersten Klasse, welche erst seit Februar bei uns ist und aus einem Dorf in der Nähe von Huahualaguna lebt (sie muss also auch zwei Mal in der Woche den Fußmarsch zurücklegen). Bei ihr kann ich gut beobachten, wie sie sich entwickelt. Abgesehen davon, dass sie immer mehr Spanisch lernt, und ich durch sie immer mehr Quechua, lernt sie auch die Verhaltensregeln in der Albergue. Letztens, während wir in der Nähe der DVD-Vitrine Hausaufgaben gemacht haben, haben Juvenal und Wilfredo sich eine DVD nach der anderen aus der Vitrine genommen und dessen Hülle angeschaut. Aydee Roxana meinte irgendetwas auf Quechua zu den beiden, und ich frage Wilfredo: „was hat sie gesagt?“, er antwort: „sie meint, wir dürfen die DVDs nicht ohne zu fragen aus dem Schrank nehmen.“ „Ja, genau das wollte ich auch gerade sagen“. Sie ist ein wirklich süßes Mädchen. Sie bringt mich zum Beispiel auch nach den Hausaufgaben immer bis zu der Tür, die zu unserem Aufenthaltsplatz führt. An der Tür verabschiedet sie sich, denn sie weiß, dass die Kinder nicht dorthin dürfen.

Ich habe schon wieder viel zu viel geschrieben... Dabei gibt es eigentlich noch so viel mehr Kleinigkeiten zu erzählen, die nebenbei passieren.
Achja, noch eine Sache, die doch etwas wichtiger ist. Hermana Nancy hat sich eine längere Auszeit genommen und arbeit somit nicht mehr in der Albergue. Dafür begrüßen wir dieses Wochenende eine andere Schwester, die aus Columbien angereist komm,t und eine weitere Freiwillige aus Deutschland, namens Anne. Anne ist 23, hat gerade ihren Bachlor beendet und möchte bevor sie mit ihrem Master durchstartet, Zeit in Lateinamerika verbringen, unter anderem natürlich als Entwicklungshelferin. Sie wird während Laura, Johanna, Franz und Julian schon ab dem 26. Mai das Projekt verlassen, mich bis zu dem 22. Juni unterstützen.

Liebste Grüße,
Verena

Saturday, April 14, 2012

Ostern

Letzte Woche wurde auch hier in Peru Ostern gefeiert. Eher gesagt, hier ist die ganze Woche von Palmensonntag bis zum Osterfest heilig („La Semana Santa“). Somit hatten die Kinder in der Woche kaum Hausaufgaben auf, und schon ab Donnerstag schulfrei, warum also am Mittwochnachmittag schon nur noch die ca. 20 „Waisenkinder“ dort waren. Wir haben dann mit den wenigen Kindern ein europäisches Ostern gefeiert, d.h. wir haben Schokolade und Bonbons versteckt, die die Kinder suchen mussten. Diese Tradition kennen sie sonst nicht. Erst waren sie ja recht skeptisch, doch als sie dann rausgefunden haben, dass es darum geht viel Süßkram zu erhaschen, waren sie super motiviert. Sie haben uns fast die Tür eingetreten, als wir sie für kurze Zeit aus den Innenhof der Albergue geschickt haben, um alles zu verstecken. Kaum war die Tür geöffnet, stürmten sie los wie Verrückte. So schnell habe ich noch nie alles radikal verschwinden sehen. Obwohl wir Teams von drei Personen (alt, mittel, jung) gebildet hatten, hatten besonders einige Jungs viel mehr gesammelt. Es wurde jedoch alles gerecht aufgeteilt, und alle waren zufrieden. Am Tag danach wurde gleich gefragt: „Spielen wir das Spiel nochmal?“ – „Nein, das spielt man nur einmal im Jahr.“ – „Och man“. Da müssen sie wohl die nächsten Freiwilligen von überzeugen. Für den Donnerstag darauf hatten wir aber andere Spiele geplant. Wir hatten aufgrund der Feiertage ab dann eigentlich schon frei, doch Laura, Johanna und ich wollte die Chance nutzen, neue Spiele auszuprobieren, was man nämlich nicht mit 80 Kindern machen kann. Es war zusätzlich eine gute Entscheidung noch länger in der Albergue zu bleiben, weil die Schwestern uns zu einem festlichen Essen mit ihnen und den beiden Priestern des Dorfes eingeladen haben. Es gab Lasagne (auch für die Kinder wurden etliche Formen gemacht),  vorweg natürlich Suppe, dazu Brot und außerdem Wein und Bier. Normalerweise ist es hier außerdem Tradition, dass man „12 platos“ (12 Gerichte) isst. Damit bezieht man sich auf das Abendmahl mit den 12 Aposteln.
Donnerstagabend kamen wir in Cusco an, und das Wochenende lief recht ruhig ab, da schließlich so ziemlich alle Peruaner die Zeit mit ihrer Familie verbrachten. Johanna, Laura und ich haben die Zeit genutzt, um noch einmal zu dem Cristo Blanco (die weiße Christus Statue) hinaufzusteigen, der Cusco überwacht, und von wo aus man einen super schönen Ausblick über die Stadt umgeben von Bergen hat.
Ich hatte ehrlich gesagt nicht so wirklich das Gefühl als sei Ostern, weil es für mich vor allem bedeutet Zeit mit der Familie zu verbringen. Ich habe jedoch Samstagabend/nacht/morgen Zeit mit meiner Gastschwester verbracht, die wegen der Ostertage und weil ihre Großmutter am 15. April ihren 80. Geburtstag feiert (auch Laura, Johanna und ich werden dabei sein), schon nach Cusco gekommen war. Dann hat also wenigstens nicht die Osterfeier gefehlt, die für mich normalerweise samstags vor Ostern in der Wunderbar stattfindet. Das Inka Team passt dafür auch.

In der Woche vor Ostern bin ich außerdem umgezogen, unzwar von dem Schwesternhaus in das Zimmer direkt beim Mädchenschlafsaal. Bis jetzt hatte ich echt Glück, was Wasser und Strom angeht. Ich meine, die Dusche ist so ziemlich immer kalt, doch ich bin ja schon froh, wenn überhaupt Wasser fließt (die Woche vor meinem Einzug sah das anders aus). Außerdem konnte ich mich schon daran gewöhnen mit Ohropax zu schlafen, so dass mich das „CORRAN!“ (dt: LAUFT!) und das darauffolgende Klatschen von nackten Kinderfüßchen auf den Fliesenboden nicht mehr um 5:50 Uhr aufweckt. Da der Wassertank nämlich über den Tag mit Solarenergie aufgewärmt wird, gibt es jeden Morgen einen Kampf um eine warme Dusche. Sobald der Tank leer ist, duscht der nächste kalt.

Die jetztige Woche war ansonsten nicht sonderlich ereignisreich. Doch obwohl die Kinder erst ab Mittwoch wieder Schule hatten, war irgendwie immer viel zu tun. Johanna, Julian und ich haben uns seit drei Wochen vorgenommen Salsa zu üben, und doch hatten wir bis jetzt keine halbe Stunde frei dafür (Ja, ich nehme im Moment an einem Salsakurs teil. Und es macht richtig Spaß!). Zum Beispiel hat unsere Oberschwester Nelly dieses Wochenende einen Englischtest, weshalb ich ihr an den Nachmittagen Englischnachhilfe gegeben habe. Außerdem helfe ich oft zusätzlich zu der Hausaufgabenbetreuung mit den Kleinen noch bei Mathe- und Physikaufgaben der Ältesten aus. Das ist schon recht anstrengend. Doch es freut mich natürlich auch immer, wenn meine Hilfe erwünscht wird, und besonders mit den Secundariern habe ich sonst außerhalb des Computer- und Englischkurses nicht viel zu tun.

Zu der vormittäglichen Chacraarbeit gibt es nur zu sagen, dass wir Montag und Dienstag Unterstützung von den Kindern der Albergue hatten, und Mittwoch endlich unseren ersten Mais geerntet haben. Der ist unglaublich köstig! Nichts im Vergleich zu dem Mais in Deutschland.

Bis bald,
eure Verena