Letzten Sonntag, den 7.8., bin ich nun endlich zu den anderen Freiwilligen Johanna, Julian, Laura und Franz gestoßen. Vom Flughafen abgeholt ging es direkt mit dem Bus nach Quiquijana. Ich habe die Eingewöhnung an die Höhe einfach übersprungen. An jenem Tag hatte ich unbeeindruckende Kopfschmerzen und an den Tagen darauf hatte ich keinerlei Beschwerden in der Richtung. Man merkt die Höhe jedoch daran, dass man bei kleinsten Anstrengungen schon außer Atem ist. So ist man zum Beispiel schon von dem Weg zur Chacra (Acker + Gewächshaus) geschafft, bevor man überhaupt gearbeitet hat.
Aufgrund der Höhe und der Berge gibt es hier sehr große Temperaturschwankungen von Tag zu Nacht. Johanna und ich wohnen in dem Schwesternhaus, welches ca. 5 bis max. 10 Minuten von der Albergue entfernt ist (beides liegt an je einem Ende des Dorfes -> sehr kleines Dorf). Wenn wir nun also morgens zu der Albergue gehen, um zu frühstücken, packen wir uns in eine dicke Winterjacke und einen wärmenden Schal ein. Sobald wir uns jedoch auf dem Weg zur Chacra machen, gegen 9, bleiben die Jacke und der Schal schon in der Albergue, und wiederum auf der Chacra angekommen, arbeiten wir im T-shirt. Die Wärme ist sehr abhängig von der Sonne, denn sobald sie da ist, ist es sehr warm, doch verschwindet sie hinter den Bergen, findet man es sehr kalt.
Auf der Chacra arbeiten wir jeden Vormittag. Bis jetzt haben wir Steine von dem Acker entfernt, damit er wieder als Maisfeld genutzt werden kann, das Gewächshaus an manchen Stellen mit Nadel und Faden geflickt und uns in dem Gewächshaus um die Pflanzenvielfalt gekümmert.
Unsere Arbeit in der Albergue hat jedoch noch nicht richtig begonnen. Wir haben dort zwar schon gestrichen und Brot gebacken, aber trotzdem war diese Woche sozusagen noch Eingewöhnungszeit. Denn es waren Ferien und somit lebten in der Albergue nur 15 Kindern, weil diese Waisenkinder sind und auch in der jetzigen Ferienzeit nicht nach Hause können. Letztens gab es einen traurigen Moment als eins der Kinder, welche sonst so fröhlich und unbeschwert sind, sagte, dass sie kein zu Hause habe. Julian meinte darauf, die Albergue sei doch ihr zu Hause. Aber sie meinte, die Albergue sei nur die Albergue. Diese Aussage kam irgendwie überraschend, denn die Kinder haben es hier wirklich gut und haben im Gegensatz zu anderen in ihrem Alter einen geregelten und gesicherten Tagesablauf. Dennoch ist es natürlich sehr schwer ohne Eltern aufzuwachsen.
Man merkt auch, dass es den Kindern an Zuneigung und Bemutterung fehlt. Sie leben hier zwar mit den Schwestern, welche pädagogische Arbeit mit ihnen leisten, doch diese sind eher distanziert und gelten als Autoritätspersonen. Somit freuen die Kinder sich sehr auf die Freiwilligen. Sie springen uns in die Arme, halten die ganze Zeit unsere Hand und spielen Klatschspiele mit uns, während sie auf unserem Schoß sitzen (diese konnte ich schon nach dem zweiten Tag auswendig und ich bin mir sicher, dass sie, sobald 80 Kinder in der Albergue mit uns spielen, mir auch im Schlaf nachkommen werden). Außerdem war es eventuell ein Fehler sie mit dem Lied „Hoppe hoppe Reiter“ zu belustigen.
In Quiquijana gibt es auch einen Spielplatz, welchen wir diese Woche schon gut genutzt haben. Die Mädchen wollen dort meistens auf die Schaukel oder auf die Rutsche, und den asphaltierten Fußballplatz haben wir für Spiele wie „Katz und Maus“, „Plumpssack“ und „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ genutzt. Die kleinen Jungs hingegen wissen natürlich darum wie man den Fußballplatz richtig nutzt und bringen Julian und Franz im Spiel außer Atem.
Neben all den Spielereien haben die Kinder auch ihre Aufgaben, welche sie wie selbstverständlich erledigen. Sie waschen sich nicht nur jeden Morgen selbstständig und ziehen sich an, sondern waschen z.B. auch ihre Wäsche selbst mit der Hand. Oder, wenn der Hund das Mädchenschlafzimmer als Klo benutzt hat, wird nicht lange diskutiert, wer die Sauerei wegmacht, sondern die erste, die es sieht, kümmert sich darum.
Ich bin schon gespannt, wie das Leben mit 80 Kindern im Haus aussehen wird, denn schon mit so wenigen gibt es Streitereien, die nicht selten darum gehen, wer bei den Freiwilligen auf dem Schoß sitzen darf. Doch nächste Woche werden wir die Kinder von einer anderen Seite kennenlernen, und sie auch uns. Denn dann werden wir mit der Hausaufgabenbetreuung und dem Extraunterricht in Computer und Englisch beginnen. Wie genau wir die Arbeit jedoch unter uns aufteilen werden, diskutieren wir erst am Sonntag aus. Denn dann treffe ich zum ersten Mal auf die Oberschwester Nelly und mit ihr wird alles abgesprochen.
Dann können Johanna und ich zudem erfahren, welche Dinge wir in dem Schwesternhaus benutzen dürfen und, welche für uns Tabu sind, da wir dort nun gemeinsam wohnen werden. Leider merke ich schon an dem Haus, dass ich in einem Land bin, in dem die Leute viel kleiner sind als ich. Ich musste schon einige Beulen einstecken, weil die Decke zu niedrig für mich ist, und der Spiegel im Bad zeigt mir eher meinen Bauchnabel als mein Gesicht.
Von dieser tiefen Bauweise abgesehen, gab es bis hierhin also keine „Tiefen“ für mich und ich bin gespannt auf die kommende Zeit. Ich bin mir sicher, es wird sich noch einiges verändern, denn schon jetzt ist es so gekommen, dass ich morgens, mittags und abends Tee trinke, wobei ich vorher zu Hause immer Tee gemieden habe.